So unterstützen Sie Ihre Kinder in Lernprozessen

 

Gerade beim Schulstart fragen sich Eltern, wie sie ihr Kind am besten in Lernprozessen unterstützen können. Obwohl wir alle immer auch Lernende sind, verschiebt sich beim Schulbeginn häufig die Wahrnehmung, dass es jetzt um das „richtige“ Lernen geht.

Eltern wünschen sich, dass ihre Kinder in der Schule klarkommen. Dass sie Freude am Lernen haben und ihnen der Lernprozess leicht fällt. Aber wie funktioniert das eigentlich, das Lernen lernen?

Zu diesem Thema durfte ich dem Sailer – Verlag ein Interview geben. Es war mir eine große Freude:

 

Frau Fistéra, als Grundschullehrerin, Coach und Mutter dreier Kinder sind Sie Expertin zum Thema Lernen.

Wie funktioniert Lernen eigentlich und wie können Eltern ihre Kinder bei diesem Prozess begleiten?

Lernen ist ein ganz natürlicher Prozess – wir lernen immer und von Anfang an. Am besten dann, wenn uns etwas interessant oder sinnvoll erscheint. Sobald ich erkenne, dass ich durch Lernen mein Ziel erreichen oder ein Problem lösen kann, fällt es mir viel leichter, Inhalte aufzunehmen, die auf den ersten Blick keinen Spaß machen und auch nicht wirklich spannend klingen.

Bei Kindern können wir den natürlichen Lernprozess wunderbar beobachten. Sie nehmen unglaublich viele Dinge aus den verschiedensten Bereichen auf. Junge Menschen erkunden ihre Welt und erweitern ihre Erfahrungen auf spielerische Weise. Dabei werden sie positive wie negative Lernerfahrungen machen. Je mehr Freiraum wir ihnen zugestehen, desto facettenreicher werden die Erfahrungswerte sein.

Junge Menschen erkunden ihre Welt und erweitern ihre Erfahrungen auf spielerische Weise.

Die Aufgabe der Eltern als Lernbegleiter besteht also darin, für einen sicheren Rahmen zu sorgen, in dem Kinder ihre eigenen Erfahrungen machen dürfen. Dieser Raum ist frei von Bewertungen oder Vorwegnahmen, denn Kinder lernen auch durch negative Ergebnisse. Sie hier gut zu begleiten, ihnen Sicherheit zu vermitteln und sie ausprobieren zu lassen, ist eine sehr bereichernde Aufgabe.

 

Wie können Eltern ihre Kinder dabei unterstützen, neue Kompetenzen zu erwerben?

 

Indem sie sich bewusst machen, wie groß der Beitrag ist, den sie tatsächlich aktiv leisten können: durch den Familienalltag und das „echte Leben“ als Schau- und Lernplatz. Digitale Möglichkeiten sind eine Ergänzung, ermöglichen aber kein wirklich ganzheitliches, sinnhaftes Erleben. Wenn ein Kind ein Puzzle macht, hat es die einzelnen Teile in der Hand. Es nimmt ihre Form und Größe war. Indem es den Stift in seiner Hand hält, macht es eine andere Erfahrung als beim „Malen“ mit dem Finger auf dem Tablet. Ich halte das praktische, anwendungsorientierte und sinnliche Lernen für eine wichtige Grundlage.

Auch das Erfassen von Zeit oder Menge erlernen Kinder ganz leicht, wenn die Eltern sie aktiv in ihren Alltag einbeziehen. Gemeinsames Kochen und Backen oder das Helfen im Haushalt schaffen Lernerfahrungen, die natürlich gesammelt werden. Ich erlebe immer wieder Eltern, die ihrem Nachwuchs aus Sorge vor Unordnung oder gelegentlichen Scherben diese Erfahrungen vorenthalten. In diesem Zusammenhang möchte ich noch ergänzen, dass Zutrauen ein zentraler Bestandteil von erfolgreichem Lernen ist. Kinder spüren dieses Vertrauen intuitiv und wandeln es in Selbstvertrauen um.

Wie können Eltern die Arbeit der Lehrer zu Hause optimal begleiten,

Stichwort „Erziehungspartnerschaft“?

 

Ich möchte es mal so sagen: Viele Erwachsene, die ich kenne (mich eingeschlossen), stehen unserem Schulsystem hin und wieder kritisch gegenüber, häufig aus guten und nachvollziehbaren Gründen. Trotzdem ist es wenig hilfreich, sich vor dem Nachwuchs negativ über das System oder die Lehrkräfte zu äußern. Umso besser ist es da, Kindern eine gute Lernerfahrung zu ermöglichen und sie vorbehaltlos an das Thema Schule heranzuführen.

Umso besser ist es da, Kindern eine gute Lernerfahrung zu ermöglichen.

Am Ende sind beide Seiten, Eltern und Lehrer:innen, auf ein wertschätzendes Miteinander angewiesen. Veränderung kann nur dort entstehen, wo uns bewusst ist, dass wir ein gemeinsames Ziel haben: das Wohlergehen des Kindes. Und das sollte immer im Fokus stehen.

 

Warum haben viele Jugendliche einen „Lern-Durchhänger“

und wie kann man sie neu motivieren?

 

Vor allem dadurch, dass wir ihnen diese Durchhänger zugestehen. Das Gehirn von Jugendlichen befindet sich in der Pubertät in einem Umbauprozess. Bisher Gelerntes wird neu bewertet und sortiert. Auf einmal schlafen sie morgens länger, haben neue Interessen und grenzen sich zunehmend von den Eltern ab. Ich spüre bei meiner ältesten Tochter, dass ich immer weniger Einfluss habe. Ich kann sie nicht mehr motivieren. Bestehe ich auf meine Lernmethodik, kommt es unweigerlich zum Streit, der zu gar keinem Ergebnis führt.

Als Eltern von Jugendlichen besteht also die Hauptaufgabe darin, Interesse an den Interessen des Nachwuchses zu zeigen.

Was hingegen hilft ist, wenn ich in einer guten Kommunikation mit ihr bin und bleibe. Wenn wir gemeinsam Verständnis füreinander haben und neue Wege suchen. Als Eltern von Jugendlichen besteht also die Hauptaufgabe darin, Interesse an den Interessen des Nachwuchses zu zeigen. Es geht darum, in Beziehung zu bleiben. Mehr kann man nicht tun. Aber wenn das gelingt, ist es eigentlich ganz schön viel.

 

Wenn Sie eine Sache für immer verändern könnten, die Kindern das Lernen in der Schule

leichter macht, welche wäre das?

 

Lernen braucht Zeit. Und die gestehen wir jungen Menschen in unseren jetzigen Lehrplänen einfach nicht ausreichend zu. Ich würde mir wünschen, dass Kinder und Jugendliche mehr „echte“, also erlebbare Erfahrungen machen dürfen. Dadurch lernen sie automatisch mit mehr Interesse, Freude und Nachhaltigkeit. Was sie brauchen sind Erwachsene, die sie begleiten, anfeuern, ermutigen und herausfordern.