„Bin ich eine gute Lehrerin?“

Die Frage "bin ich eine gute Lehrerin" hat mich früher sehr beschäftigt. Besonders in Zeiten, in denen es sehr herausfordernd und stressig war.

 

 

Bin ich eine gute Lehrerin?

Diese Frage stellte ich mir vor ungefähr 10 Jahren.
Begeistert, mit Leidenschaft und Motivation startete ich nach dem Referendariat in den Schuldienst.
Ich liebte meine Arbeit mit den Kindern und freut mich auf ein kollegiales Team.
Ein gutes Miteinander mit den Eltern war für mich selbstverständlich.
Im Vordergrund stand das Kind mit seinen Bedürfnissen. Die Frage, ob ich eine Führungskraft bin, hatte sich mir nie gestellt.

Mit meiner ersten Klasse und dem Unterrichten mit 28 Stunden geriet ich schnell an meinem Grenzen. Die Lerngruppe war nicht optimal zusammengesetzt und zwei AO-SF waren zu stellen.
Zunehmend belasteten mich, wenn Schüler:innen den Unterricht störten. Ich bemerkte, dass ich ungeduldiger und auch gereizter auf die Belange meiner Schüler:innen reagierte.

Nur wenige Jahre nach Beginn meines Schuldienstes saß ich erschöpft im Auto und war absolut am Ende: Ich war enttäuscht vom Rahmen des Systems, von mir und war gefühlt auf mich allein gestellt.
Ich wusste nicht, mit wem ich ehrlich und offen darüber reden konnte.
Am schmerzhaftesten war die Erkenntnis: „Ich bin eine Lehrkraft, die ich so niemals sein wollte.“
Damals war ich traurig und verzweifelt. Ich stellte mich infrage und konnte meine Zweifel, ob ich eine gute Lehrerin bin, nicht mehr beantworten.

An diesem Tag wurde mir klar, dass ich das Schulsystem so bald es geht verlassen werde. So konnte ich nicht mehr arbeiten.
Kennst du diese Momente, in denen du enttäuschst oder erschöpft warst?
Ich war es, wenn ich meinen Unterricht gut vorbereitet hatte und nichts so klappte wie erwartet und gehofft.
Wenn Pausen keine waren und ich stattdessen kopierte, telefonierte und organisieren musste.
Oder wenn Klasse meine unglaublich unruhig und der Lärmpegel über Stunden extrem hoch war.
In Zeiten, in denen es zu Konflikte mit Eltern kam, konnte ich nachts teilweise nicht mehr schlafen.

Das alles kostet unglaublich Kraft, um präsent und aufmerksam zu bleiben.
Viele Lehrkräfte haben keinen Ort, an dem sie ehrlich und offen über ihre Probleme in Schule sprechen. Mir ging es ebenso.

Ich fühlte mich als Opfer im System.

„Lehrst du noch oder führst du schon?“

Keynote beim Klett Campus 2022 über das Thema: "Lehrkräfte sind Führungskräfte"

 

 

Bin ich eine Führungskraft?

Einer Freundin, die den Klinik-Award zur Managerin des Jahres bekam, erzählte ich von meinem Erleben. Während unseres Gesprächs fiel der Satz:

„Unsere ultimative Freiheit ist das Recht und die Macht zu entscheiden, wie sich jemand oder etwas außerhalb von uns auf uns auswirkt.“

Steven Covey

Für mich waren das „Breaking News!“
Mir war nicht bewusst, dass ich eine Wahl hatte zu entscheiden, wie ich auf Dinge reagiere.

Ich war davon überrascht, wie ich mich in kürzester Zeit innerhalb des Systems verloren und angepasst hatte. Statt zu hinterfragten, übernahm ich Dinge, weil sie „schon immer so waren“.
Und so fasste ich den Entschluss, dass ich mehr über Eigenschaften von Führungskräften wissen wollte. Der erste Schritt auf diesem Weg war, dass mich im Bereich Leadership fortzubilden. Damit verbunden musste ich mir eine Frage stellen: „Bin ich eine Führungskraft?“

Bin ich eine Führungskraft?

Das Wort „Führungskraft“ löste bei mir keine guten Assoziationen aus: Wenn ich an Menschen in Führungspositionen dachte, kamen mir zuerst Männer in Unternehmen in den Sinn. Sogenannte „Alphatierchen“.

Mit den Frauen in Führungsetagen konnte ich mich wenig identifizieren.
Menschen in Führungspositionen waren für mich auf einem anderen Planeten unterwegs. Ich fühlte mich nicht berufen, eine Führungsrolle einzunehmen.
Das mit dem Freisein sowie der Erkenntnis, eine Wahl zu haben – gefiel mir gut.
Ich fragte mich, welche Eigenschaften eine gute Führungskraft ausmacht, und wie sich Führung auf das Team in diese Schule auswirkt.

Während ich mich inhaltlich mit den Aufgaben beschäftigt war, wurde mir schnell klar, dass Leadership vor allem mit Persönlichkeitsentwicklung zu tun hat. Die Person, die am schwersten zu führen ist? Das sind ganz sicher wir selbst.
Damit reifte die Erkenntnis, dass ICH der Unterschied bin.
Entscheidend ist, WIE ich meinen Schüler:innen begegne.

Damit wuchs das Bewusstsein, dass ich in der Lage war, Dinge zu verändern.
Das Gefühl der Ohnmacht nahm langsam ab – und damit mein Handeln zu.
Ich begann, mich als Lehrkraft zu hinterfragen und neu zu betrachten.
„Das Wichtigste ist es, dass Sie die Klasse im Griff haben!“
Regelmäßig hörte ich diesen Satz von Beginn meines Referendariates an.
Jetzt wurde mir klar, dass dies Gift für ein gutes Miteinander zu meinen Schüler:innen war.

Ich? Eine Führungskraft?

„Eine Führungskraft ist für mich jemand, der sich selbst dafür verantwortlich macht, das Potenzial in anderen Menschen zu sehen und der den Mut hat, dieses Potenzial zu entwickeln.“

Bréne Brown

Was, wenn wir Lehrkräfte dieses Selbstverständnis zu unserer DNA machen würden?
Ich bin sicher, dass das alles in Schule verändert.

Ob ich mich als Lehrkraft in der Führungsrolle sehe, ist von einem Aspekt abhängig:
Es ist nicht die Stelle, die mich beruft, zu führen! Ich entscheide mich, eine Führungskraft zu sein!

Die Entscheidung

Diese Frage lässt für mich mit einem „Ja“ beantworten. Ich empfinde wie Steven Covey:

„Leadership is a choice, not a position.”

Meine Keynote in Sketchnotes: Führen mit Herz und Verstand

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Im Folgenden werde ich dir sechs Handlungsräume aufschließen, die dir helfen werden, in deine Führungsrolle hineinzuwachsen. Lass dich überraschen, wie leicht du diese ersten Schritte gehen kannst.

1. Raum, um wertzuschätzen

Wenn wir uns vergegenwärtigen, wen wir tagtäglich vor uns sitzen haben, verändert sich unser Bewusstsein. Wir schätzen unser Gegenüber wert, wenn wir:

  • die Namen unserer Schüler:innen kennen und richtig aussprechen
  • entscheiden, ob und wie wir sie begrüßen und ob und wie wir sie verabschieden
  • wirkliches Interesse an ihnen haben
  • das Bemühen wahrnehmen und anerkennen
  • loben und ermutigen
  • ihnen Vertrauen und Respekt entgegenbringen

2. Raum für Vision/Exzellenz

Warum bist du Lehrkraft?
Was fasziniert dich an diesem Beruf?
Was war der Grund, dass du dich für deine Fächerwahl?
Welche Themen begeistern dich?

Wenn du eine Vision von deinem Unterricht hast, wirst du deine Schüler:innen motivieren.
Du kannst Inhalte sinnvoller und leichter vermitteln, sodass Ergebnisse langfristig besser werden.
Lernen funktioniert, wenn wir verstehen, dass es wichtig und sinnvoll für unser Leben ist. Alles andere sortiert unser Gehirn aus.
Wenn du dich für die Inhalte begeisterst, werden deine Schüler:innen es ebenfalls sein.
Dass du inhaltlich gut vorbereitet bist, ist ein absolut wichtiger Baustein für deinen Unterricht.
Er wird deine Souveränität stärken.

3. Raum für Werte

Wir Lehrkräfte sind verantwortlich, dass es innerhalb der Klasse Werte gibt. Das bedeutet, dass wir kommunizieren, was uns wichtig ist: Wie gehst du damit um, wenn jemand zu spät kommt? Wie wünschst du dir den Umgang in deiner Klasse?

Schnell sprechen wir Lehrkräfte darüber, wie abschätzig Schüler:innen miteinander umgehen oder sich respektlos uns gegenüber verhalten.
Wenn wir unseren Schüler:innen zuhören, erfahren wir, dass sie durch uns Lehrkräfte in verschiedenen Situationen beschämend erleben.

Unsere Werte sind wichtig. Wir entscheiden, welche für uns nicht verhandelbar sind.
Für mich ist es keine Frage, dass sich niemand in meinem Klassenraum schämt.
Durch unser Vorbild und Vorleben dieser Werte legen wir die Saat für ein gutes Miteinander an Schule aus.

4. Raum für Austausch

Wir treffen Annahmen über unsere Schüler:innen. Was wir viel zu wenig machen, ist nachfragen. Warum wir so wenig Raum für Austausch geben? Der Grund ist die Sorge, dass diese Zeit beim Vermitteln von Lerninhalten fehlt.
Für mich ist Austausch die beste Investition für das Miteinander im Klassenraum.
Das Interesse an unseren Schüler:innen, die Frage nach ihren Bedürfnissen schafft die Grundlage für Vertrauen.
Wenn sich unsere Schüler:innen geborgen fühlen, werden sie angstfrei und gut lernen.

5. Raum für Wachstum

Viel wichtiger als die Noten auf einer Skala von 1 bis 6 finde ich es, die Wachstumspotenziale zu erkennen. Somit fällt es leichter, auf das zu schauen, was gelingt.
Und davon ausgehend werden wir Wege finden, wenn inhaltlich eine Sache (noch!) nicht so gut klappt.

  • In welchem Bereich wird sich der Schüler/die Schülerin weiterentwickeln?
  • Wo konnte er aus einer Schwäche eine seiner Stärke machen?
  • Wann gab jemand nicht auf?
  • Was würde helfen?

6. Raum für Atmosphäre

Damit meine ich nicht die Deko an Wänden oder Fenstern. Für das Klima im Klassenraum bin ich als Lehrkraft verantwortlich.
In dem Augenblick, wenn ich die Klasse betrete, spüren unsere Schüler:innen, wie ich den Raum komme.
Sie nehmen wahr, wie ich ihnen gegenüber eingestellt bin.
Ich bin verantwortlich, dass der Klassenraum zu einem guten und sicheren Lernort wird.
Wenn ich meine Erwartungen klar kommuniziere und nahbar bin, wird es den Schüler:innen leichter fallen, Absprachen einzuhalten.

Du bist der Unterschied

Wenn du beginnst, in deinem Leben zu führen und damit die Verantwortung für dich zu übernehmen, verändern sich Dinge.
Du wirst anders in deine Lehrkraft kommen und merken, wie Schule sich durch dich verändert.
Weil du der Unterschied im Klassenraum bist.
Wenn du dich entscheidest, wirst du in Schule eine Führungskraft mit Herz werden

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